Bjarki

 

Name: Manu Wolters

Name des Hundes: G-Bjarki vom Johannisbach

Rufname: Bjarki

Rasse: Belgischer Schäferhund Varietät Groenendael.

Pedigree: „G-Bjarki vom Johannisbach“ bei Working-Dog.

 

Woher stammt der Hund?: VDH/FCI

 

In welchem Alter traten die Anfälle zum ersten mal auf?: Unerkannte Absencen bereits 2019, fokale + generalisierte Anfälle ab Sommer 2020

 

Welche Art der Anfälle hat Ihr Hund? Focale und oder Grand Malanfälle?:
Absencen, (komplex) fokale Anfälle, generalisierte Anfälle, Cluster/Serienanfälle, leider auch bereits ein kurzer Status epilepticus (generalisiert) und ein 90min Status epilepticus plus schwere Clusteranfälle danach.

 

Bekommt der Hund Medikamente?: ja

 

Möchten Sie berichten, was Epilepsie mit Ihrem Hund und Ihrer Familie macht?: Genau heute feiert unser Bjarki einen seiner mehrfachen „Geburtstage“ ;)

 

Mehrfache Geburtstage, weil unser geliebter Hund schon so oft vom Pech verfolgt wurde, dass man sich manchmal nur noch seufzend an den Kopf fassen kann…

 

Im Mai 2016 kam unser kleiner Bjarki zu uns, als absoluter Wunschhund.

 

Bjarki war von Welpe an nie fit, immer schon recht klein für ein Rüde seiner Rasse, aber das alles machte er durch seinen unbändigen Lebenswillen und seine absolute Fröhlichkeit wett.

 

Er war damals schon der Held unserer Nachbarschaft, alle liebten und lieben ihn.

 

Nachdem er also bereits schwere gesundheitliche Zeiten als Welpe und Junghund durch hatte, er sich dann nach einem Bagatellunfall auch noch einen Milzriss mit inneren Blutungen zuzog, dachten wir:

 

Da kann jetzt nix mehr kommen! Das reicht für ein ganzes Hundeleben!

 

Tja, falsch gedacht.

 

Rückblickend war Bjarki bereits 2019 manchmal ein bisschen strange. Er wachte des nachts manchmal schreckhaft auf, wechselte dann seinen Liegeplatz. Manchmal sah er auch Gespenster.

 

Aber all dies war so selten…

 

Zum Ende des Jahres, war er öfter mal kurz abwesend. Wir dachten, er würde einfach vor sich hin träumen und an heiße Hundeladies denken ;)

 

Wir wissen heute, dass all diese Dinge schon sehr wahrscheinlich Anfälle waren. Abscencen halt.

 

Im Sommer 2020 war mir dann nach einem Ereignis direkt klar, dass er Epilepsie haben muss…

 

Bjarki schreckte aus dem Schlaf hoch, seine Kiefer klapperten, der Speichel floss in Strömen sein weiches Fell hinunter. Nach gut 30 Sekunden war alles vorbei und er rannte wie bekloppt durch die Bude.

 

Durch meine eigene Erkrankung, die auch viele neurologische Defizite mit sich bringt wusste ich zudem ebenso: der hat Drangwandern, um sich wieder zu sortieren…

 

Ach du Schei…!

 

Mein Männe, ein absolut tiefenentspannter Typ, dachte zu jener Zeit noch, dass Bjarki wohl ein Insekt verschluckt haben müsse…

 

Kurze Zeit später noch so‘n komischer Anfall. Männe war da bereits nicht mehr so auf der „Insekten-Seite“…

 

Dann kam schon bald der große Knall und Bjarki krampfte klassisch sekundär generalisiert. Das war im Oktober 2020.

 

Bedeutet: er schreckte aus dem Schlaf hoch, krampfte zunächst fokal am Kopf, dann „drehte“ er sich förmlich in den Krampf rein, fiel um, zappeln, rudern, speicheln, Pipi, Kacka, die ganze Bude ein Schlachtfeld, Bjarki selbst sah dabei aus, wie das Epi(höhööö)Zentrum des Krieges.

 

Ein grauenvoller Anblick. Dann wieder dieses laufen und laufen und bitte ganz viel fressen uns trinken…

 

Er war und ist nach jedem Anfall für einige Zeit blind und hat offenbar Kopfschmerzen… :(

 

Das Ganze ereilte unseren armen Bjarki teilweise jede zweite Nacht, manchmal „nur“ zwei mal pro Woche.

 

Wir rannten zu einigen Tierärzten hier in der Umgebung und auch weiter fern.

 

Wir mussten schnell feststellen, dass einige Ärzte nur oberflächlich über Epilepsie Bescheid wussten.

 

Als die klassische Medikation bei Bjarki überhaupt nicht griff, vereinbarte ich einen Termin beim Neurologen.

 

Im November sollten wir zig Stunden in den Süden fahren.

 

Der Termin wurde auf Februar 2021 verschoben - trotz der Beschreibung um Bjarkis recht heftigen Fall.

 

Also schraubten wir erstmal mit unserer Haus-TA weiter an der Medikation rum.

 

Rums - im Januar 2021, erlitt Bjarki eine nekrotisierende Pankreatitis. Die schwerste Form einer Bauchspeicheldrüsenentzündung. Ein kleiner Teil starb ab.

Es war die Nebenwirkung des Medikaments…

 

Daraufhin wurde jenes Medikament reduziert und ein weiteres hinzugegeben.

 

Ab da zeigte Bjarki erstmals Cluster-Anfälle. Es war zum Mäuse melken.

 

Auch jene Kombination brachte keine Linderung, sie reduzierte die häufige und heftige Anfallsfrequenz nicht.

 

Wir rannten hier alle nur noch mit Augenringen umher. Die Waschmaschine lief ständig, Epi-Sachen waschen.

 

Glaubt mir: Epi stinkt ;)

 

Bjarki verpackte das alles noch erstaunlich gut.

 

Dann endlich der Termin beim Neurologen.

 

Es gab ein neues Medikament.

 

Unglaublich aber wahr: Bjarki schaffte einmal 6 Wochen ohne Anfall!

 

Dann verkürzte sich das Intervall auf 1x in vier Wochen, schließlich landeten wir wieder bei der alten Anfallsfrequenz…

 

Wir waren nur noch verzweifelt…

 

Ich informierte mich daraufhin. Wir wollten eigentlich nach Köln zu einer bekannten Neurologin, aber schließlich fand Bjarki den Weg in die TiHo Hannover in die Neurologie.

 

Dort wurde die Diagnose nochmals vollends gesichert: Idiopathische Epilepsie.

 

In der Zwischenzeit fand ich heraus, dass Bjarki nicht der einzige Hund aus dieser Zucht mit Epi war und ist.

 

Zu ein paar Besitzern haben wir persönlichen Kontakt und wir tauschen uns regelmäßig über unsere „Epi-Dogs“ aus.

 

Leider meldete sich der Züchter von Bjarki nie auf unsere Epi-Mail zurück. Auch nicht, als wir ihn in den CC für die Mail an seinen Zuchtverein packten.

 

Dies lässt uns moralisch und ethisch doch etwas zweifeln, aber nun gut. Man kennt die Hintergründe nicht, weshalb ein Mensch so handelt - oder eben nicht handelt…

 

Zurück zur TiHo:

 

Bjarki bekam das Angebot, nun offiziell als „Therapieresistente idiopathische Epilepsie“ eingestuft, an eine Studie mit Probiotika teilzunehmen.

 

Probiotika haben keine Nebenwirkungen - also stimmten wir zu.

 

Parallel hierzu, erhielt Bjarki vorher noch ein weiteres Medikament zu seiner bestehenden Medikation hinzu.

 

Was soll ich sagen?

 

Nein, kein Happy End oder sowas.

 

Im Gegenteil.

 

Nur 6 Wochen nach Studienbeginn, am 22.09.2021, erlitt Bjarki einen 90 minütigen Status epilepticus. Ein generalisierter, schwerer Dauerkrampf.

 

Er erhielt noch hier zuhause die dreifache Dosierung an zwei Benzodiazepinen als Notfallmedikation - es tat sich nichts.

 

Die nächste Tierklinik mit Notdienst: 1 1/2 entfernt…

 

Wir schleppten den krampfenden Hund samt Kühlakkus und weichen Decken ins Auto und hofften, dass er lebend im Ruhrgebiet in der Klinik ankommen würde…

 

Es war der reinste Horror!

 

Der eigentlich organisierte Notfallarzt ging nämlich nicht ans Telefon, andere TA aus der Umgebung die ich wach klingelte meinten, man könne nichts machen…

 

Erst als Bjarki und mein Männe in der Klinik ankamen, rührte sich Bjarki das erste mal wieder und hörte auch auf zu krampfen.

 

Vor dem Eingang der Klinik kam er dann langsam liegend, hechelnd, eingekotet, eingepinkelt und eingespeichelt wieder zu sich.

 

Aber laufen konnte er noch lange nicht. Er war völlig heiß und immer noch blass-blau an den Schleimhäuten.

 

Die diensthabende Ärztin kümmerte sich direkt um Bjarki und verlegte ihn auf die Intensivstation.

 

Dort ging der Alptraum dann weiter.

 

Er erlitt weitere schwere Cluster-Anfälle, nachdem er sich für eine kurze Zeit berappelt hatte.

 

Sie legten ihn schlafen. Quasi künstliches Koma, um das Gehirn irgendwie zu Ruhe zu bringen.

 

Alle Aufwachversuche scheiterten.

 

Bjarki krampfte munter weiter…

 

Trotz hoher Dosen krampflösender Medikamente, die er während der Narkose bekam…

 

Weit über 50 Stunden lag er in Narkose!

 

Am Freitag, den 24.09.2021, sprachen die Ärzte und auch wir, über die Euthanasie. Seine Prognose war mehr als schlecht. Man vermutete bereits einen schweren Hirnschaden.

 

Das war die schlimmste Zeit, die wir je durchstehen mussten. Wir konnten nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, nur noch weinen… wir wollten doch einfach nur unseren Bjarki zurück!

 

Es war so unfassbar still im ganzen Haus. Trotz unser anderen geliebten Tiere.

 

Bjarki fehlte schon jetzt furchtbar schlimm…

 

Zusammen mit der TiHo organisierten wir und die Notfallklinik noch einen Versuch einer eher seltenen Medikation, die potentiell viele Nebenwirkungen haben kann.

 

Den 25.09.2021 nahmen wir als „Tag der Entscheidung“, denn wir wollten Bjarki nicht unnötig weiteres Leid zufügen…

 

Das glaubt mir nun keiner:

 

Am 25.09.2021 wurde ich morgens wach und sagte zu meinem Partner:

 

„Der schafft das! Ich bin mir sicher!“

 

Und:

 

Tatsache, unfassbarer Weise, durften wir Bjarki an diesem Tag nach Hause holen!

 

Er war natürlich noch mega matsche, völlig vollgedröhnt mit 3 verschiedenen Antiepileptika, aber er kämpfte kämpfte und kämpfte.

 

Innerhalb von ca. einer Woche, die gerade zu Anfang sehr sehr hart für uns alle war, weil wir so so soooo sehr zweifelten, ob wir das Richtige getan hatten, erholte er sich vollständig von diesem schlimmen Ereignis!

 

Er war dem Tod - mal wieder - von der Schüppe gesprungen.

 

Unglaublich.

 

Leider wissen wir nun, dass es jederzeit wieder so knallen kann und das Bjarki wahrscheinlich nicht so alt werden wird, wie gesunde Exemplare seiner Artgenossen.

 

Aber für uns zählt jeder gute und schöne Tag.

 Jeder Tag, an welchem er morgens schon grinsend am Bett steht und einem die Ohren ausschlecken möchte (ja, ist so eklig, wie es klingt!), wo er fröhlich durch die Gegend hüpft, wie ein Welpe und so weiter und so fort… :)

 

Jetzt gerade ist der 25.10.2021. Bjarki hatte seit dem keinen Anfall mehr.

Ihm geht es derzeit gut und damit verbleiben wir einfach mal mit Freude im „Hier und Jetzt“, leider eben mit dem Wissen, dass es immer vorbei sein kann, wenn es wieder „knallt“…

 

Epilepsie ist eine wirklich ernste Erkrankung bei Hunden.

 

Wusstet ihr, dass die meisten Fälle tatsächlich idiopathisch/vererbt sind?

 

Es sind gar nicht so wenige, die so heftige Formen erleiden, wie unser Bjarki.

 

Ich würde mir, gerade in Bezug auf Rassehundezucht, mehr Denken in nachfolgende Populationen wünschen. Mehr Offenheit und Ehrlichkeit, untereinander als Züchter und zusammen mit den Besitzern und umgekehrt.

 

Ich habe das Gefühl, dass manchmal der gemeinsame Kontext abhanden gekommen ist.

 

Auch wünsche ich mir von ganzem Herzen einen Gentest, damit man Risikoverpaarungen weitestgehend vermeiden kann.

 

Das letzte Wort hat immer noch Mutter Natur. Aber wir Menschen haben viele Probleme durch gewisse Fallstricke in der Zucht, leider gefördert…

 

Rosendahl im Herbst 2021

Manu Wolters